Wiederherstellung des "Architektengartens" von Paul Schmitthenner, Am Fischtal 4

Auszüge des gartendenkmalpflegerischen Gutachten, Büro Zimmermann, Berlin, 1998

Die Gartenanlage 'Am Fischtal 4' in Berlin-Zehlendorf wurde von der Abteilung Gartendenkmalpflege der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz im August 1989 erstmalig inventarisiert.
Haus und Garten dieses Grundstückes entstanden 1928/29 nach Plänen Paul Schmitthenners im Rahmen der Gagfah 'Versuchs- und Forschungssiedlung, Berlin-Zehlendorf'. Neben Schmitthenners architektonischer und baulicher Leistung als Architekt steht sein Verständnis für einen funktionalen und räumlich gegliederten Garten, der mit dem Haus zu einem Gesamtkunstwerk verschmilzt, in der Tradition der Architektengärten. Der Garten erfuhr im Lauf der Jahre zahlreiche Umgestaltungen und ist heute in seiner ursprünglichen Gestalt stark verändert.
Im Juni 1996 ging das Grundstück in den Besitz von Jutta Hildebrandt und Dipl.-Ing. Volker Theissen über. Aus Gründen der Denkmalpflege müssen alle beabsichtigten baulichen Veränderungen an denkmalgeschützten Bauwerken mit dem Landesdenkmalamt Berlin, Bau- und Gartendenkmalpflege, abgestimmt werden. Aufgabe des Gartendenkmalamtes ist es u.a., die Eigentümer zu beraten, Pläne für die Wiederherstellung der Gärten zu erarbeiten bzw. vorgelegte Ausführungspläne zu prüfen und die Durchführungsarbeiten zu überwachen. Als Grundlage für die Wiederherstellungsmaßnahmen wurde an das Büro Zimmermann ein gartendenkmalpflegerische Gutachten in Auftrag gegeben. Zielsetzung des Gutachtens war es, neben der Sammlung und eingehenden Auswertung möglicher Quellen, eine genaue Bauaufnahme vom Grundstück Fischtal 4 anzufertigen. Zu einer solchen Objektaufnahme gehören neben der topographisch exakten Vermessung des Gartens ein Aufmaß der Gartenbaulichkeiten (Mauern, Wege, Terrasse ...) und eine Kartierung des Gehölzbestandes. Dem Aufmaß folgt die Erarbeitung eines Entwicklungskonzeptes, mit dem die stufenweise Wiederherstellung der Gartenanlage ermöglicht werden sollte.

grundriss Fischtal4

Abb.1:"schematische Darstellung des Gartenplans von 1928

Entwicklungsgeschichte der Gartenanlage
Der Garten Schmitthenners gehört zu den Anfang diesen Jahrhunderts entstandenen Architektengärten. Gemeint ist damit nicht die Tatsache, daß ein Architekt den Garten gestaltet hat, vielmehr bedeutend sind die für Anfang des Jahrhunderts neuen Gedanken, wie ein moderner Garten gestaltet sein soll und was er zu leisten hat. Die Einheit von Haus und Garten ist dabei Grundgedanke. Das Übereinstimmende des Gartens mit dem Haus besteht nicht in der Fortsetzung äußerlich erkennbarer Linien des Hauses im Garten, sondern in der Übertragung der Innenräume "das Bewohnbare des Hauses" auf den Garten mit seinem idealen Grundriß. (vgl. Gothein, 1926) Die Gartenräume sollen ebenso wie die Wohnräume des Hauses nutzbar sein und in übersichtlicher Verbindung zueinander stehen. Aus der städtebaulichen Einbindung leitet sich die Orientierung des Gartens nach Südosten hin ab, so daß ein zusammenhängender, besonnter und gut nutzbarer Gartenraum entsteht. Der Garten ist weitgehend symmetrisch aufgebaut und in klar umrissene Einzelräume gegliedert. Als wichtigste raumbildende Elemente dienen zwei Hauslauben, kleine Gartenmauern und flankierende Baumreihen. Wege verbinden die verschiedenen Gartenbereiche miteinander.
Das Neben- und Nacheinander der Räume vermittelt dem Garten seinen klaren Charakter und eröffnet eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten, wobei der von kleinen Gartenmauern gefaßte Senkgarten mit Wasserbecken den Schwerpunkt bildet.

Paul Schmitthenner über den Garten 'Am Fischtal 4':
"Knappe zwanzig Meter ist das Grundstück breit und gut elf Meter das Haus lang, und so entstehen zwei schmale Höfchen von etwa vier Meter Breite zwischen Haus und Nachbargrenze. Das Nordhöfchen wird der Wirtschaft dienen und das nach Süden geöffnete den Kindern. Damit diese Höfchen Räume werden, sind links und rechts des Hauses Lauben angefügt, die den Abschluß bringen und an der Gartenseite des Hauses den von Nachbarblicken ungestörten Sitzplatz umschließen. Durch die Lauben führt der Weg vom Haus zu den Höfchen und zum Garten. Große Probleme sind bei der Gartenanlage nicht zu lösen, und größte Zurückhaltung wird das Richtige sein. Es liegt kein Grund vor, den Achsen aus dem Wege zu gehen, die hier das natürlich Gegebene sind. Ein bescheidenes Wasserbecken vor dem Hause für die Kinder und die Pflanzen, drum herum Blumenbeete. In vier Birken links und rechts der Wege, ein hinterer Spiel- und Bleichrasen mit vier Obstbäumen und zum Schluß ein kleines Gemüseland oder Beeren- und Kräutergärtlein und in der Ecke den Komposthaufen nicht vergessen, den wir mit Holunder umpflanzen. Die Zäune werden wir nach Möglichkeit dicht durch Pflanzen schließen. Die Terrasse vor dem Hause und der Boden der beiden Lauben werden mit Ziegelpflaster belegt und, wenn das Geld langt, auch die Gartenwege."

Der Garten vor der Renovierung (1998)
Im Laufe der Zeit hatte der Garten zahlreiche Umgestaltungen erfahren, er war aber noch weitgehend symmetrisch aufgebaut. Die ihm zugrunde liegende Gestaltungsidee war noch zu erkennen, obwohl einzelne Räume verändert wurden oder teilweise ganz entfallen sind.
Bestimmend für die Erscheinung des Gartens ist seine orthogonale Grundstruktur. Die Hauptachse, von zwei Hochbeeten eingeengt, endet in einer Rasenfläche im hinteren Teil des Gartens. Der an die Terrasse anschließende leicht abgesenkte Bereich war kein klar begrenzter Senkgarten mehr, da die hintere Stützmauer als Raumkante fehlte und sich der Rasen kontinuierlich mit leichtem Gefälle zum Grundstücksende hin zieht. Reste einer Pergola und eines Pavillons befanden sich in dem zum Fischtalgrund gelegenen Teil des Gartens. Die dicht gewachsene Bepflanzung verlieh dem Garten einen verwunschenen Charme, die vorhandene Formen- und Farbenvielfalt kamen dagegen kaum noch zur Geltung. Die klare Trennung in unterschiedliche Gartenbereiche wurde von der Bepflanzung nicht mehr unterstützt.

Abb 2.: Der Garten im Zustand von 1998

Im Rahmen des Gutachtens wurden die einzelnen Gartenbestandteile ("Gartenzimmer") detailliert aufgenommen und Maßnahmen für ihre Erhaltung bzw. Wiederherstellung dargestellt. Die gesamten Maßnahmen sind in einem Maßnahmenplan dokumentiert. Für die Wiederherstellung wurde ein Entwicklungskonzept in drei Stufen erarbeitet:

Entwicklungskonzept
Die Wiederherstellung der Gartenanlage kann in drei Entwicklungsstufen erfolgen. Ziel der vorgeschlagenen stufenweisen Renovierung ist die mögliche Ausführung in drei zeitlich hintereinander liegenden Bauabschnitten, wobei jeder Bauabschnitt eine in sich abgeschlossene Wiederherstellung eines Teilbereiches des Gartens bedeutet.

Entwicklungsstufe 1
Die Entwicklungsstufe 1 enthält die für die Wiederherstellung des Gartens bedeutendste Maßnahme im Sinne Schmitthenners, der Gartenanlage frühstmöglich ihre charakteristische Gestalt zurückzugeben. Desweiteren beinhaltet sie weitere kurzfristige Maßnahmen, die den fortschreitenden Verfall des Gartens verhindern sollen.
Inhaltlich bedeutet die erste Entwicklungsstufe in erster Linie die Wiederherstellung des Senkgartens und der räumlichen Symmetrie des zentralen Gartenbereiches.

Abb. 3

Entwicklungsstufe 2
Die Entwicklungsstufe 2 stellt den nächst dringlichen Schritt in der denkmalgerechten Wiederherstellung des Gartens dar. Konkret beinhaltet der zweite Bauabschnitt zum einen die Wiederherstellung des alten Wegenetzes, welches der durch den Anbau des Musikzimmers veränderten Situation gerecht wird, zum anderen die Neupflanzung der wegeflankierenden Bäume nach dem Vorbild Schmitthenners.
Weitere langfristige Maßnahmen dienen dazu, den weitgehend originalen Zustand des Gartens wieder herzustellen. Sie sollten im Rahmen des zweiten Bauabschnitts in den folgenden Jahren durchgeführt werden.

Abb. 4

 

Entwicklungsstufe 3
Die Entwicklungsstufe 3 stellt eine Stufe im Bedarfsfall dar. Teil des heutigen Bestandes sind die über die Jahre hinzugekommenen Bauwerke (Pergola, Pavillon, Geräteschuppen), für die als letzte Entwicklungsstufe ein im Sinne der Gesamtkonzeption vertretbarer Ort vorgeschlagen wird und ein Entwurf in der Formensprache des Gartens beizubehalten ist.

Das Büro Zimmermann wurde 1999 beauftragt, den zentralen Senkgartenbereich wiederherzustellen. Die Arbeiten wurden nach beschränkter Ausschreibung an die Garten- und Landschaftsbaufirma "Buchholzer Landschaftsbau" vergeben.

Diese "Rollover"-Aufnahme zeigt den zentralen Senkgartenbereich vor und nach Durchführung erster gartenbaulicher Maßnahmen im Sinne der Entwicklungsstufe 1.


Abb. 5/6

 

Im Rahmen des Gutachtens verwendete Literatur

Bauwelt 19. 1928, Heft 34, S. 766 ff
Boniver, D.: Paul Schmitthenner - Arbeiten aus drei Jahrzehnten. In: Der Baumeister 42. 1944, S. 1ff
Die Baugilde 10. 1928, S. 1442 ff
Gothein, M.L.: Geschichte der Gartenkunst, 2.Bd., Jena, 1926
Hüter, K.-H.: Architektur in Berlin 1900-1933, VEB Verlag der Kunst, Dresden, 1987
Joedicke, J.: Zum Werk von Paul Schmitthenner. In: Paul Schmitthenner - Kolloquium zum 100. Geburtstag an der Universität Stuttgart, 1985
Krosigk v., K.: Inventarisation und Bewertungskriterien bei historischen Gärten. In: Historische Parks und Gärten. Dokumentation der Tagung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, Leipzig, 1996
MBF (Moderne Bauformen) 28. 1929, S. 31
Müller-Menckens (Hrsg.): Schönheit ruht in der Ordnung. Paul Schmitthenner zum 100. Geburtstag, 1984
Muthesius, H.: Landhaus und Garten, 1907
Pniower, G.B.: Die neue Gartenform. In: Die Baugilde 10. 1928, S. 694 ff
Schmitthenner, P.: Baugestaltung - Das Deutsche Wohnhaus. 1. Auflage, Stuttgart, 1932
Schmitthenner, P.: Das Deutsche Wohnhaus - Baugestaltung: Erste Folge. 4. Auflage, Stuttgart, 1984
Schmitthenner, P.: Paul Schmitthenner - Gebaute Form - Variationen über ein Thema, Hrsg. E. Schmitthenner, Stuttgart, 1984
Voigt, J.H.: Paul Schmitthenner im Sog des Nationalsozialismus. In: Paul Schmitthenner - Kolloquium zum 100. Geburtstag an der Universität Stuttgart, 1985
Walter, R. :Nutzung des Rüdersdorfer Kalksteins als Werkstein. In: Führer zur Geologie von Berlin und Brandenburg, Nr.1: Die Struktur Rüdersdorf, Hrsg. J.H. Schroeder, Geowissenschaftler in Berlin und Brandenburg e.V. Selbsverlag
Wendland, F.: Zur Geschichte des Bergbaues und der geologischen Erforschung. In: Führer zur Geologie von Berlin und Brandenburg, Nr.1: Die Struktur Rüdersdorf, Hrsg. J.H. Schroeder, Geowissenschaftler in Berlin und Brandenburg e.V. Selbsverlag
Wiegand, H. & Krosigk v. K.: Verpflichtung zur komplexen Gartendenkmalpflege. In: Gartendenkmalpflege Berlin 1978-1985, Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Abt. III: Natur - Landschaft - Grün, 2. Auflage, 1985
WMB (Wasmuths Monatshefte für Baukunst) 12. 1928, S. 211, 237, 554-556
ZDB (Zentralblatt der Bauverwaltung ) 48. 1928, S. 753 ff

Neben der Literaturrecherche in den einschlägigen öffentlichen Berliner Bibliotheken wurden folgende Fundorte ausgewertet:
Eigentümer des Grundstücks: Die heutigen Eigentümer besitzen keine Planunterlagen des Gartens.
Frau Peus (Nachbarin): Bildmaterial
Herr Schimmel (RWK Rüdersdorf): Verarbeitungshinweise zum Rüdersdorfer Kalkstein
Gagfah-Archiv, Rüdesheimers Str. 50, 14197 Berlin: Es enthält keine Dokumente/Pläne oder Hinweise zur Gartenplanung des Grundstücks Am Fischtal 4
Bezirksamt Zehlendorf: Bauakten
Tiefbauamt Zehlendorf: Tiefbauakten
Gartenamt Zehlendorf: Keine Unterlagen vorhanden
Landesmuseum Zehlendorf: Kein Archivmaterial bezgl. Hausgärten im Bezirk vorhanden
Landesarchiv Berlin: Kein Archivmaterial bezgl. Hausgärten in Berlin.

 

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